Sonntag, 5. Dezember 2010

USA Herbst 2010 #3 - Midwest und Motorcity

Am Montagmorgen fing die eigentlich Arbeitswoche an, aber erst musste ich in Richtung Osten fahren, um in den Grossraum Detroit zu gelangen. Meine geschäftlichen Termine waren Dienstag und Mittwoch, so dass ich den Montag für die Fahrt hatte.
Mein Plan war, erst ein wenig an der Südküste des Michigan Lake zu cachen, um dann am Abend das etwa 400km entfernte Auburn Hill zu erreichen.

Ich konzentrierte mich auf die Indiana Dunes National Lakeshore, eine Art Nationalpark, welches die natürliche Landschaft des Südufers des Lake Michigan mit Dünen, Sandstrand, Wäldern und Sümpfen bewahrt. Einige nette Caches, insbesondere Earthcaches warteten hier auf mich.
Es ist immer wieder bemerkenswert, was sich für eine Fülle von Leben drüben in den Wäldern tummelt, kein Vergleich zu unseren Wäldern. So traf ich an diesem Earthcache auf einen Waschbären, der mich völlig ignorierte und weiter nach Nahrung suchte.
Von USA-2010

Ein weiteres Highlight in diesem Park war der Earthcache Tremont!. Ein Multi-Earthcache mit T4 bewertet, weil man auf Wanderwegen die drei höchsten Dünen erklimmen musste. Naja, sooo anstrengend war das nicht, jede Düne bedeutete ca 25hm, aber es hat Spass gemacht bei diesem wunderbaren Wetter.
Der Lake Michigan macht hier mehr den Eindruck eines Meeres als den eines Binnensees; der See hat einiges an Wellengang, der Strand und die Dünen erinnerten mich mehr an die Nordsee als an einen See, aber es handelt sich um Süsswasser!

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Nun war es aber Zeit aufzubrechen in Richtung Osten, der Himmel zog sich auch immer weiter zu und es begann zu regnen. So erreichte ich Auburn Hills und Detroit, was man auch am immer dichter werdenden Verkehr merkte.
Mein Weg führte mich auch ein Stück über die Telegraph Road, diese führt über knapp 120km von Toledo, OH einmal quer durch den Grossraum Detroit, teilweise vier Spuren in jede Richtung. Irgendwie fiel mir da der alte Dire Straits Song "Telegraph Road" von der "Love over Gold" ein und tatsächlich (zumindestens wenn man Wikipedia Glauben schenken darf) wurde Mark Knopfler von dieser Strasse zu dem Lied inspiriert.


Telegraph Rd auf einer größeren Karte anzeigen

Irgenwann erreichte ich mein Hotel, kaufte ein paar Lebensmittel ein und der Abend konnte kommen. Wlan ist in den USA üblicherweise Standard in jedem Hotel und kostenfrei nutzbar.

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Am nächsten Tag hatte ich dann vormittags einen geschäftlichen Termin, nachmittags hatte ich dann noch etwas Zeit, bis ich abends auf meinen Chef und ein paar Kollegen treffen wollte. Also bin ich los ein wenig cachen. Ich suchte mir einen Earthcache raus, Detroit Salt Mines, ein historischer Förderturm für das Fördern von bergmännisch abgebautem Salz.
Ich näherte mich der Koordinate im Süden Detroits und die Umgebung wurde immer bizarrer: ein heruntergekommenes Industriegebiet und ein Wohnviertel mit zerfallenen Häusern und ausgebrannten Ruinen. Sehr schräg! Keine Gegend, wo man lange sein Auto abstellen wollte. Schnell mein Logphoto gemacht und weg von hier!
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Der Förderturm steht auf einem Firmengelände, welches man nicht betreten darf und hat aber keine Aufgabe mehr.
Ich habe den Earthcache meiner Bookmarkliste "Earthcache Challenges" zugefügt, auch wenn er nur 1/1 ist, aber ist so schräg! Hier noch ein besser erhaltenes Haus aus der direkten Nachbarschaft:
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Apropos Verfallen: Ich fuhr dann quer durch die Stadt nach Norden Richtung Auburn Hill und entdeckte ein noch bizarreres Relikt einer Vergangenheit: Von der Interstate sah ich ein weit aufragendes, grosses Gebäude auf einer Anhöhe, mit leeren Fensterhöhlen. Das machte mich neugierig und ich fuhr ab, um mir das (aus dem Auto) näher anzuschauen
Von USA-2010

Es handelt sich um das Michigan Central Depot, ein Bahnhof und Verwaltungsgebäude der Eisenbahngesellschaft aus dem Jahre 1913, welches das Pech hatte, von der automobilen Entwicklung überrollt zu werden. Kein Zug fährt es mehr an, es führen keine Schienen dorthin und es zerfällt.

Auch die Umgebung sah nicht besser aus, leere Fensterhöhlen wohin man blickt, eine sehr trostlose Gegend. Man kommt sich vor wie in einem endzeitlichen Film.
Von USA-2010

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Am Tag drauf im Anschluss an meine geschäftlichen Termin verliess ich dann den Grossraum Detroit in Richtung Kokomo, Indiana. Kokomo? Richtig, das war mal Thema eines Liedes der Beach Boys, aber die haben garantiert nicht diese von der Automobilindustrie und Landwirtschaft geprägten Kleinstadt im mittleren Westen im Sinn gehabt.
Die Fahrt sollte ungefähr 5-6h dauern, ich bin auch erst sehr spät losgekommen und ich wollte auf der Strecke noch ein wenig cachen.


Detroit - Kokomo auf einer größeren Karte anzeigen

Ab Toledo Richtung Fort Wayne entschied ich mich gegen die Interstate, die einen Umweg bedeutete und wählte einen Highway (normale Landstrasse) entlang des Maumee River, ich ich erwartete nicht, dass das besonders schnell sein würde, aber dafür sehenswert
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Es gab auf der Strecke einige schöne, alte Virtuals und einige Earthcaches und zu mehr hatte ich auch keine Lust. Sehr reizvolle Landschaft, immer wieder gab der Wald am Ufer den Blick auf die flache Flusslandschaft des Maumee frei.

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An dieser Stelle gab es sogar zwei virtuelle Caches, erwähnenswert ist hier die Geschichte dieser Brücke und des Felsens in der Mitte. Dieser Felsen, der ursprünglich viel grösser gewesen ist, hatte für die Ureinwohner eine besondere Bedeutung als Landmarke und Treffpunkt. Der Namen des Ortes geht auf eine französische Siedlung aus dem 18. Jahrhundert zurück. 1907 wurde die Eisenbahnbrücke gebaut und der Felsen teilweise zerstört, was wohl zu starken Kontroversen geführt hat. Die Eisenbahn, die diese Gegend mit Toledo verband und auf der Personenzüge verkehrten, ist aber mittlerweile Geschichte.

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Weiter ging es in Richtung Südwesten in Richtung auf die untergehende Sonne.
Es wurde immer szenischer, die Sonne sank langsam hinter den Horizont.
Und so fuhr ich einsam in Richtung auf den sich verfärbenden Himmel, Truckerromantik pur
Von USA-2010

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Als es richtig dunkel war, erreichte ich Fort Wayne, IN und die Interstate 69 Richtung Süde. Nun war es nicht mehr so weit, in Marion, Indiana, verliess ich die Interstate und fuhr die letzten km Richtung Kokomo.
Das Kleinstädtchen Marion, verdient noch etwas Beachtung, es ist der Geburtsort von James Dean, der dort auch begraben liegt. Wenn man die Stadt sieht, dann versteht man, warum er von dort weg ist.
Vor ein paar Jahren - ich glaube, es war zu seinem 50. Todestag - war ich schon mal in der Gegend und da war alles voll mit Hot Rods, Muscle-Cars und sonstigen automobilen Wunderdingen. Einzig deren Besitzer sah man das Alter an, es war wohl James' Generation, in Würde gealtert, ordentliche Plautzen vor sich her schiebend, mit ihren Mädels aber auch nicht viel jünger aber the fire kept burning! Und so feierte sich die Generation der roaring fifties, sehr sehenswert!
Nachdem ich Marion hinter mir gelassen habe, ging es über kleine Country Roads weiter nach Westen in Richtung Kokomo und ich erreichte spät abends mein Motel.

Die nächsten Tage verbrachte ich im Herzen des mittleren Westens zwischen Kokomo und Indianapolis im Bundesstaat Indiana.
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Dies ist eine durch landwirtschaftliche Nutzung gekennzeichnete Gegend, riesige Felder, auf denen Sojabohnen oder Mais angebaut wird. Das Land wird durch die fast ausschliesslich horzontal oder vertikal verlaufenden Strassen durchzogen.

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Nur entlang kleiner, sich durch Landschaft schlängelnder kleiner Flüsse oder Bachläufe gibt es Baumgruppen oder kleinere Waldstücke. Ursprünglich, bevor das Land durch die europäischen Auswanderer im 19. Jahrhundert besiedelt wurde, war es von dichtem Wald bedeckt.
Weitere Abwechslung in der Landschaft bilden einzelne Höfen, kleinen Siedlungen und natürlich die Friedhöfe.
Da in den USA Gräber nicht aufgegeben werden, sind Friedhöfe ein wichtiger Teil der historischen Identität. Sie werden - ob noch weiter benutzt oder nicht - immer noch gepflegt. Jeder Friedhof, der etwas auf sich hält, hält ein paar Grabsteine aus der Zeit des Bürgerkrieges parat, die heute noch zum Veteran's Day mit einer Plastikfahne geschmückt wird.

Von USA-2010

Und diese Friedhöfe erfreuen sich größter Beliebtheit bei den lokalen Cachern, es gibt fast keinen, der nicht bedost ist. Hier sind die ISQ (Indiana Spirit Quest)-Caches besonders zu erwähnen, weil sie sich eingehend mit geschichlichen Besonderheiten des jeweiligen Friedhofes auseinandersetzen und dies im Cachetext herausarbeiten. Dies macht eine Cachetour über die Friedhöfe zu einer spannenden Reise in die Vergangenheit. Dieses Konzept wurde von Cachelegern in anderen Staaten übernommen und dort weitergeführt.
Die Caches selber sind üblicherweise an der Grenze des Friedhofes zum umliegenden Gelände versteckt, aber es gibt auch viele Caches, die in/an Bäumen oder Büschen auf dem Friedhof selber versteckt werden. Und das sogar auf aktiven Friedhöfen!
Und weiterhin ungewöhnlich für uns Europäer ist es, dass man in den USA nicht etwa das Auto ausserhalb des Friedhofes abstellt und zum jeweiligen Grab geht, nein man fährt selbstverständlich so weit man eben kann. Es ist ganz normal, mit dem Auto über die Friedhofswege zu fahren.
Leider stehen die detailreich ausgearbeiteten ISQ-Cachebeschreibungen in deutlichem Kontrast zu den eigentlichen Dosen: Meistens Mikros; Filmdosen, Tablettenröhrchen oder ähnliches. So habe ich während dieser Tour nur wenige dieser Caches angesteuert.

Eine zweite Besonderheit will ich hier vorstellen: Die amerikanische Version des LPC. Hier heisst das mitnichten Lost Place Cache sondern Lamp Post Cache und ist eine besonders langweilige Abart. Ok, der erste dieser Art, den man sucht, mag noch eine Überraschung sein, aber spätestens beim zweiten ist die Luft raus. Ich habe das extra mal dokumentiert:

Nehmen wir uns zum Beispiel dieses ehemalige Autohaus (GM hat 2008 im Rahmen der Restrukturierungsmassnahmen die Marke Pontiac eingestellt, das hat diesem Autohaus die Geschäftsgrundlage entzogen)
Von USA-2010

OK, das soll uns aber jetzt nicht weiter stören, wir wollen ja einen Lamp Post Cache suchen. Lamp Post heisst Laternenmast. Also konzentriert euch auf die Laterne vorne rechts. (Ist aber auch völlig egal, weil alle Lampenmaste nach dem gleichen Prinzip aufgebaut sind:)
Von USA-2010

So sehen also fast alle Laternen in den USA aus: Unten ein Betonsockel, auf den ist der Mast montiert. Die Übergangstelle ist mit einer Schürze abgedeckt. Und nun in einem unbeobachten Moment ran und:
Von USA-2010
Voilà, ein LPC! Und so sehen sie alle aus, auf grossen Parkplätzen der vielen Einkaufsmalls oder Motels. Mal in abgelegenen Ecken, mal dicht am Eingang, die Herausforderung besteht darin, in einem unbeobachteten Moment zuzugreifen.

Was ich auch häufig gesehen habe, sind kleine Behälter, die in die Äste von immergrünen Büsche/kleine Bäume gehängt werden. Üble Sucherei. Vor allem wenn es so öffentlich ist. Hier war es zum Beispiel auf einem Dairy Queen Parkplatz.
Da musste ich natürlich ein Eis probieren, so was von zuckersüss.
Von USA-2010